- Ausstellung: Der Erste Weltkrieg - Orte des Übergangs
- Der Kasernenhof
Einleitung
Nach der Einberufung oder der freiwilligen Meldung stellt die Kaserne für die Soldaten des Ersten Weltkrieges die erste Station ihrer Teilnahme am Krieg dar: Hier werden Zivilisten zu Soldaten. In der zwei- bis achtwöchigen Grundausbildung werden die Rekruten körperlich trainiert. Sie lernen das Marschieren, die Handhabung von Gewehr und Bajonett, ihnen werden die militärischen Verhaltens- und Denkweisen vermittelt und – dies ist besonders wichtig – sie müssen sich in die militärische Hierarchie einfügen. Während ihrer Ausbildung wohnen und arbeiten die Rekruten überwiegend in der Kaserne, wo ihr Tagesablauf streng reglementiert ist. Mauern sowie ein bewachtes Tor trennen die Welt der Kaserne von der zivilen Außenwelt.
Enlist to-day
Der Großteil der Soldaten, die im Ersten Weltkrieg kämpfen, sind Wehrpflichtige. Sie werden nach Geburtsjahrgängen einberufen. Darüber hinaus werden junge Männer auf unzähligen Plakaten und Postern dazu aufgefordert, sich freiwillig für den Krieg zu melden. Durch die Mobilmachung verändern sich Straßenbild wie Familienleben. Die Propaganda appelliert an patriotische Gefühle, aber auch Schuldgefühle gegenüber der eigenen Familie oder den Mitmenschen werden angesprochen. Wer sich der Wehrpflicht entzieht, muss mit harten Strafen rechnen. Das britische Heer indes besteht bis 1916 ausschließlich aus Freiwilligen: „Persuade your man to go!“ heißt es dort.
Vom Zivilisten zum Soldaten
Eine seltsame Verwandlung ist mit ihm vorgegangen: der verwöhnte Großstädter ‘faßt‘ mittags den zweiten ‚Zug‘“, als müßte es so sein, sein Körper ist gestählt, sein verbildeter Geist hat das Einfachsein gelernt. Aus hoch und niedrig, hat die Kaserne in wenigen Wochen todesgetreue Kameradschaftlichkeit zusammengegossen.
So berichtet der Dichter Gotthardt Günther in seinem Tagebuch über seine Verwandlung zum Soldaten. Wie er werden viele andere Rekruten nach ihrer Einberufung oder freiwilligen Meldung in Kasernen ausgebildet.
Als erster symbolischer Akt des Soldatwerdens gibt er dort, nach der Ankunft, seine zivile Kleidung ab und erhält seine Uniform. Außerdem werden ihm die Haare geschnitten.
Zur Grundausbildung der Rekruten gehört der Umgang mit Gewehr und Bajonett, weiter soll seine körperliche Fitness trainiert werden. Mindestens so wichtig wie die fachliche Ausbildung ist das Erlernen militärischer Verhaltens- und Denkweisen. In der Kaserne werden von den Soldaten bedingungsloser Gehorsam und die Einordnung in die militärische Hierarchie verlangt. Ziel ist es, dass der Soldat, zumindest teilweise, seine Individualität aufgibt und Teil einer uniformen Einheit wird.
Essens- und Schlafenszeit, Körperhygiene – der komplette Tagesablauf bis tief in die Privatsphäre hinein ist in der Kaserne durchorganisiert. Nach dem Abendessen haben die Soldaten allerdings Ausgang und strömen in die Kneipen, Lokale und Cafés der Umgebung.
By the left!
Nach einigen Wochen ist die Ausbildung abgeschlossen und der Rekrut verlässt die Kaserne als Teil seiner militärischen Einheit. Die erfolgreiche Ausbildung und der erfolgreiche Übergang von der zivilen zur soldatischen Identität werden häufig durch eine offizielle Parade oder den Marsch zum Bahnhof zelebriert. Nach der Verlegung an die Front wird der durchorganisierte Alltag der Kaserne durch das Chaos des Krieges ersetzt. An die Stelle der peniblen Sauberkeit der Stube tritt der Schmutz des Unterstands und es bilden sich schnell ganz neue Regeln und Hierarchien heraus.